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Blutentnahme – Nein Danke!

  • Josefa Kohler

Auf der neuen Station habe ich endlich wieder die Möglichkeit, medizinaltechnisch tätig zu sein. Nicht dass ich es gerne mache, aber können muss ich es trotzdem. Deshalb führte ich nach rund neun Monaten wieder mal Blutentnahmen durch. Zuerst übte ich am Stationsleiter, dann ging es zu den Patienten. Alle Beteiligten leben noch – ich inklusive.

Kurz darauf machte ich meine erste subkutane Injektion. Auf den bisherigen Stationen führten die Patienten es selbstständig aus, weshalb ich nie dazu gekommen bin. Auch wenn es theoretisch eine super einfache Sache ist, kann man vieles falsch machen. Aber auch dieser Patient lebt noch – die Übungsorange hingegen hat es nicht geschafft.

Wenn ich jemandem sage, dass ich weder Nadeln noch Blut mag, bekomme ich zuallererst einen Blick, der so etwas sagt wie: „Aber du bist doch FaGe, das kann doch gar nicht sein?“. Doch kann es! Wenn mir jemand Blut abnimmt, kämpfe ich mit den Tränen. Auch als ich an meinen Mitschülern das erste Mal "intramuskuläre Injektionen" üben musste, kämpfte ich mit den Tränen. Darf man das zugeben? Vermutlich nicht. Aber verheimlichen kann ich es schlecht, daran übe ich noch.

Immer wenn mir meine Mitschüler (aus anderen Institutionen) von ihren Tätigkeiten bei der Arbeit erzählen, bin ich froh, in der Psychiatrie zu arbeiten. Ich werde wohl nie 10 Blutentnahmen an einem Tag machen müssen - geschweige denn eine manuelle Ausräumung (dies möchte ich nicht weiter erläutern). Dafür haben wir in der Psychiatrie ganz andere Herausforderungen, die an die Substanz gehen.

Letztens zum Beispiel stand eine Blutentnahme an. Da der Patient nicht von selbst auf uns zukam, ging ich ihn suchen. Ich fand ihn in seinem Zimmer, informierte ihn über die anstehende Blutentnahme und bekam sofort eine klare Ansage zurück. Er äusserte diverse negative Sachen über die Station, seinen Aufenthalt und überhaupt all die Missstände die hier anscheinend herrschen. Darauf ging ich nicht ein und bestellte ihn ins Stationsbüro um diese Sache nicht zwischen Tür und Angel klären zu müssen. Es machte die Situation nicht besser, als ich zuerst auch noch Blutdruck messen und ihm die Medikamente erst nach der Blutentnahme aushändigen wollte. Nach einer kurzen aber deutlichen Ansage liess er sich dann umstimmen. Er wirkte gestresst und in die Ecke getrieben. Weiter machte er Äusserungen darüber, alles verweigern zu wollen.

Jetzt kommt das Dilemma: Ich kann seine Aussagen nachvollziehen. In seiner Situation hätte ich wahrscheinlich auch zwischenzeitliche Aussetzer und würde auf den Gedanken kommen, nicht mehr zu kooperieren. Nur auf lange Sicht lohnt sich so ein Aufstand nicht, denn die Patienten kennen die Konsequenzen (von Gesprächen mit Psychologen, bis hin zur Zurückstufung des Ausgangs) solcher Aktionen besser als ich. Dies sagte ich ihm auch, worauf er wieder etwas auf den Boden zu kommen schien. Nach der Blutentnahme hatte er sich bereits wieder so weit gefangen, dass er sogar ein Lob über die Lippen brachte.

Dies ist das Schöne in der Psychiatrie: Mit den richtigen Worten zum richtigen Zeitpunkt lässt sich bei den Patienten viel bewegen.

Bemerkungen

Josefa Kohler

Josefa Kohler befindet sich im dritten Ausbildungsjahr zur Fachfrau Gesundheit in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, am Standort Rheinau. Für puls-berufe.ch erzählt sie aus ihrem Arbeitsalltag und berichtet von den Herausforderungen und den schönen Momenten, die dieser Beruf mit sich bringt.  

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